Montag, 24. Oktober 2011

Die armen Seelen


Links ein Teufel, rechts NICHT meine Großmutter, Hauptsache ein Bild.


Als sich meine Großmutter väterlicherseits in jungen Jahren einmal auf eine Wallfahrt ging, und zwar zu unserer Schwarzen Mutter von Altötting, lernte sie dabei eine gewisse Erna von der Mosel kennen. Beide hatten bereits herbe Enttäuschungen hinter sich: Die eine hatte auf den Mann ihres Herzens verzichten müssen, weil er evangelisch war, und die andere, meine Oma Anni, hatte den ihren bekommen. Er war katholisch und ein Stierg‘nack, das zuschlug, und dann wuchs keine Gras mehr, aber das ist eine andere Geschichte.
Die zwei jungen Frauen verstanden sich auf Anhieb, denn sie hatten noch eine Gemeinsamkeit: so viele arme Seelen wie möglich aus dem Fegefeuer freizubeten, um wenigstens in der anderen Welt für Heil und Gerechtigkeit zu sorgen. Als sie endlich vor der Schwarzen Mutter von Altötting knieten, baten sie so innig, flehten so heftig, hatten auch einen speziell guten Ablasstag erwischt, dass sich Horden von sündigen Seelen aus den reinigendem Feuer der Vorhölle lösten und wie weiße Luftballons und frei und leicht zum Himmel schwebten.
Anschließend gingen meine Oma und Erna von der Mosel ins Gasthaus zur Post, um sich zu stärken. Sie kauften sich miteinander einen Leberkäs und ein Dunkles. Aber sie konnten immer noch nicht mit dem Fürbitten aufhören, sodass sich die Population des feurigen Purgatoriums komplett auflöste und der Betrieb eingestellt werden musste.
Der letzte Heizerteufel hängte seine Schaufel an den Nagel und sah sich noch einmal um: keine arme Seele schmorte oder wand sich heulend in den großen Kesseln, die Feuer darunter war erloschen und die kalte Asche stank. Fluchend schmiß er eine der Zangen, mit denen er und seine Helfer die armen Seelen gezwickt hatten, in den Haufen der scharfzinkigen Gabeln und verließ die Vorhölle. Er flog direkt nach Altötting, ein Ort der Kraft auch für arbeitslose Teufel, und landete gleichfalls im Wirtshaus zur Post, wo er sich ein Bier bestellte.
„Ja, wie schaust denn du aus?“, fragte der Wirt. „Fehlt dir was?“
„Die Arbeit“, gab der Teufel zu.
„Sein tut’s was“, seufzte der Wirt. Er kannte den Teufel gut. Auf eine gewisse Art waren sie sogar Brüder, Söhne der Schwarzen Mutter von Altötting. Und die hat ein weiten Mantel, darunter passen auch Wirte und arme Teufel.
Inzwischen waren Anni und Erna mit dem Leberkäs fertig.
„Zahlen!“, rief Erna.
„Wenn’s beliebt“, setzte Anni hinzu. Sie hielt auf guten Ton.
Weil es dunkel geworden und damals das Elektrische in Altötting noch nicht eingeführt und ihm das Petroleum gerade ausgegangen war, holte der Wirt den Kerzenhalter und machte den beiden Wallfahrerinnen beim Schein der Messingleuchte die Rechnung.
Der arbeitslose arme Teufel näherte sich. „Darf ich die hübschen Damen auf ein Gläschen einladen?“, fragte er und zwinkerte dem Wirt heimlich zu.
Der Wirt nickte. Sollte der Teufel doch seinen Spaß mit den zwei Weibsen haben, obwohl sie, seiner Erfahrung nach, ein wenig zu fromm aussahen. Recht hatte er, zumindest bei meiner Großmutter väterlicherseits.
Anni setzte ihren Deckel auf, stach energisch mit der Hutnadel durch und sagte verkniffen: „Vielen Dank, aber wir müssen jetzt gehen.“
Erna hätte schon Lust auf ein Gläschen gehabt und hätte einem armen Teufel auch gerne Trost zugesprochen. Aber wie wäre sie dann vor ihrer neuen Freundin dagestanden? Deshalb erhob sie sich abrupt und löschte dabei fast die Kerze aus. Doch die Flamme erholte sich und flackerte wieder auf. Dabei erwischte die sie Augenbrauen des Teufels und weil die von Pech getränkt waren, brannten sie lichterloh. Das Feuer griff auf die Haupthaare über, schwarz und geschneckelt, und fackelte den Teufel gnadenlos ab.
Seitdem gibt es kein Fegfeuer mehr. Das muss so kurz nach dem 1. Weltkrieg gewesen sein, aber die wenigsten haben es gemerkt. Und Anni und Erna? Die hätten es nie geglaubt.

Sonntag, 16. Oktober 2011

Quitten

Das sind sie, die Quitten,
die ich vor zwei Wochen geschenkt bekam, d.h. ich musste was draus machen.
1. Schritt: reifen lassen. Sie dufteten wunderbar.
2. Schritt: Informationen sammeln, im Internet natürlich.
3. Schritt: Den Flaum abreiben.
4. Schritt: Mit Mut, Kraft und einem scharfen Messer die Quitten hälften, vierteln, Kerne entfernen.
5. Mit ein wenig Wasser kochen. Weichkochen! Das dauert einen Abend lang.
6. Den Gaatsch in ein Seihtuch.
6. Über Nacht den Saft ablaufen lassen. Den Rest aus dem Tuch mit der flotten Lotte zu Mus pürrieren, die Kerne und Spelzen bleiben zurück.
7. Das soll Quittenbrot werden. Die Hälfte des Gewichts Zucker dazu und eine Messerspitze Zimt.
Rühren. Rühren. Rühren. Bis es fast anbrennt.
8. Auf einem Blech mit Backpapier ausstreichen. Trocknen lassen. 3 Tage lang.
Dann kann man das Quittenbrot zu Rauten schneiden und in grobem Zucker oder Kokosflocken wälzen.
9. Vom Saft hab ich Gelee gekocht, drei kleine Gläschen sind dabei rausgekommen.
Kostbarkeiten! Wem schenk ich sie?



Samstag, 8. Oktober 2011

Wahre Helden


Diesen kleinen Text fand ich heute im Computer, geschrieben habe ich ihn vor sieben Jahren. Da war ich noch jung – von heut aus gesehen. Trotzdem hat mich das Altwerden  interessiert. Nur nicht so persönlich :-) Also:

Helden kämpfen für gewöhnlich mit Ungeheuern, erschlagen Drachen, retten Jungfrauen oder gleich gar die ganze Welt.
Aber alte Leute, Frauen und Männer, das sind die wahren Helden. Sie sind so tapfer. Jeden Tag geht es weiter dahin. Ihre Glieder spüren es und die Knochen. Gebückter, dem Pflaster näher, schlurfen sie zum Supermarkt, der erst um acht aufmacht. Man ist aber schon seit fünf oder sechs wach und malader mit jedem Tag. Es geht auf den Tod zu.

Aber bis der kommt, das dauert hoffentlich. Man fürchtet das Absterben, aber doch nicht Tag für Tag. Dazwischen ist eine kleine Zukunft, vielleicht ein sonniger Nachmittag auf der Bank in der Anlage und ein Ratsch mit den anderen Alten. Sonst ginge es ja ins Gar-nichts-mehr. Da muss es schon schlimm um eine stehen, damit man das wollen mag.
Die Schrecken heißen Greisentum, Pflegefall, Altersheim.
Das ist deine Zukunft, alter Held: kein Himmelpapa hebt dich auf seinen Schoß und lässt dich durchhängen in seinen Armen wie den eingebornen Sohn.
Und keine Himmelmama hält dir den Mantel auf und läßt dich unterschlüpfen, alte Heldin. Und wiegt dich aberheitschibumpeitschi. Oder vielleicht doch? Nix g’wiss weiß man nicht.
Zucker, Athritis, Atemnot, Zehennägel, Hühneraugen, Gelenke, alles schmerzt. Glauben die Jungen sie hinken aus Jux? Nein, das Gehen tut arg weh. Und niemand verleiht den alten HeldInnen einen Orden. Gemein!