Montag, 28. November 2011

Dornröschen



Dornröschen war ein schönes Kind,
schönes Kind, schönes Kind,
Dornröschen war ein schööö-nes Kind.
Gewesen.
Als sie fünfzehn Jahre alt geworden war,
bekam sie Akne, Wimmerl, Eiterpickel
und Bauchweh zum Schlechtwerden.
Einmal im Monat
stieg sie hinauf in die Turmstube,
wo die alte Frau auf sie wartete
und ließ die Spindel tanzen.
(Sehr zum Ärger ihres Vater.)
Dann durfte sich Dornröschen aufs Sofa legen
und hundert Jahre schlafen.
 Irgendwann
kommt schon noch ein
Prinz.



Mittwoch, 23. November 2011

Rotkäppchens Korb



Es ist zum Verzweifeln, sagt der Wolf, Rotkäppchen pflückt schon wieder die Blumen und hat ihren Korb hier auf dem Weg stehen lassen, mit Kuchen und Wein, und ich krieg’ und krieg’ die Flasche nicht auf. Ohne Korkenzieher: no chance.
Muss ich denn wieder Fleisch und Blut – ? Ich armer Karnivore. Den Kuchen könnt ich schon fressen, aber ich reiß’ mich nicht um Kuchen, ich steh’ einfach nicht drauf. Eine Wurstsemmel wär mir lieber.
Stattdessen muss ich diese zähe Großmutter packen. Und damit sie nicht so allein ist in meinem Bauch, als Nachspeis’ auch noch ihre Enkelin.
Immer das Gleiche, so ein Märchen. Und dann muss der Jäger kommen und – Nein, nein, ich hab’ mir einen Reißverschluss einbauen lassen. Da springen sie dann wieder raus aus meinem Bauch, das Rotkäppchen und die Großmutter, und lachen sich einen Ast.
Und ich? Ich krieg’ dann endlich einen Schluck Wein.

Samstag, 19. November 2011

Shahmaran



Die Schlangenkönigin Shahmaran aus Anatolien liebte einst einen Mann namens Camsab. Er liebte sie auch, als er aber Heimweh bekam, bat er sie, gehen zu dürfen. Shahmaran erlaubte es, wenn er verspräche, nie den Ort zu verraten, wo sie lebte.
Leider war der König seines Landes todkrank geworden und dessen Wesir zwang Camsab unter Folter Shahmarans Aufenthaltsort preiszugeben. Denn nur ihr Fleisch würde den König heilen, meinte der Wesir.
Man fing Shahmaran und brachte sie in den Palast des Königs. Aber bevor sie getötet wurde, sagte sie, wer von ihrem Fleisch esse, müsse auf der Stelle sterben, wer aber von der Brühe trinke, in der ihr Leib gekocht werde, dem würden alle Geheimnisse der Welt zuteil. Weil Camsab so verzweifelt war, dass er seine Liebste verraten hatte, aß er sofort ein Stück Schlangenfleisch. Der König und der Wesir aber tranken von der Brühe und starben auf der Stelle.
Shahmaran jedoch lebte in ihrer Tochter weiter und immer weiter bis heute. Ihr Bild hängt noch in vielen ländlichen Schlafzimmern Anatoliens über dem Ehebett, denn Shahmaran bringt Kindersegen.

Mittwoch, 16. November 2011

Kellerkönig und Kellerkönigin




Wie ist es nur dazu gekommen, dass König und Königin im Keller gelandet sind? Tja, sie wurden exiliert, vertrieben aus ihrem angestammten Reich, dem Kühlschrank. Dort, wo es hell und licht und sauber ist. Wo die Butter in der Dose liegt, die Wurst versiegelt und der Käse luftdicht abgeschlossen ist.
Hier unten dagegen: duster, dreckig, unhygienisch. Oben kann ja jeder herrschen. Aber unten, wo’s munkelt im Dunklen. Wo sich Schatten in den Ecken ducken, Röhren zischen, Leitungen klopfen, wo der Hahn tropft, das Gurkenwasser gluckst und Schimmel blüht auf feuchten Ziegeln.
Ach, herrje, stöhnt der König, wo sind wir nur hingeraten?
Wollt ihr’s wirklich wissen?, fragt eine Riesenassel, die wie ein schwarzgeräucherter Schinken von der Decke hängt. Ihr seid dort, wo das gehobelte Kraut mit bloßen Füßen ins Fass getreten wurde, bestreut mit Wacholderbeeren und Salz. Ihr seid in der Zeit gelandet, als die Eier in Kalk gelegt wurden und Kartoffeln einen Winter lang in der Steige lagen.
Die Königin schaut sich um. Sie blickt über Apfelmus, eingeweckt in langen Gläserreihen, über Zwetschgen-, Birnen- und Hollerkompott.
Der König entdeckt Bierkästen und Weinflaschen. Zaghaft lächelnd hebt er sein Szepter und nimmt die Herrschaft übers Eingemachte an, das die Menschen einen Winter lang nähren wird.
Lang lebe der Kellerkönig und seine Königin! ruft die Riesenassel. Juhu!

Samstag, 12. November 2011

Die nachtblaue Streunerin



Wir haben ihn platt gemacht, den Hund.
Der Hund hat uns ge-hundst. Immer.
Ihr Chaos-Katzen, ihr g’schlamperten Weiber, hat er gebellt,
überall liegen die Tannenzapfen rum im Wald,
nadelt’s aus den Bäumen, wachsen die Schwammerl wie sie wollen
und kriechen die Brombeer-Ranken kreuz und quer.
Und wer ist schuld?
Wir, die Eichkatz, die Wildkatz und ich, die nachtblaue Streunerin.

Ordnung muss sein, sacklzefix, Bluat von der Katz, hat er geknurrt.
Er. Dass er sich nicht schämt, der Hund.
Ein Hund ohne Herr ist ein armer Hund. Platz! Sitz! Kusch! Fass!
Es hat ihn gefreut, dass er folgen darf, dass er aufs Wort pariert.
Dass er dem Herrn die Hasen jagt, den Füchsen in die Röhre kriecht,
die Fasanen aufstöbert. Dass er hetzt, bellt, fasst und vor die Flinte treibt. Wir, die Eichkatz, die Wildkatz und ich,
die nachtblaue Streunerin,
wir wildern nur in seinem Wald. Wir sind bloß Miezies, Muschis,
Schmuse- und Steichelkatzen.

Jetzt hat er’s. Wir haben ihn so lang gestreichelt, bis er platt war.
Platt wie ein Fußabstreifer. Miau.

Mittwoch, 9. November 2011

Bukolisches Gedicht



Herbst, die abschiedsreiche Zeit, war gekommen,
es wehten die Winde wohl her und wohl hin.
Auf Wiesen und Weiden, auf Berg und im Tal
fraßen Rinder das restliche Gras.
In der Toskana geschah’s. Scusi, oh Hirt,
sind wohl deine Tiere und rentiert sich ihr Fraß?
Freilich, Fremder, was zweifelst du dran?
Zweimal am Tag gehn sie zum Melken
Und munter plätschert die weiße Flut in den Tank.
Sauber und schnell zum teuren Produkt veredelt:
Zu Mascarpone, Mozzarella, Parmigiano, Pecorino.
Panna cotta, Gorgonzola, Fontina und –
Halt ein, bukolischer Hirte, stopp it!
Im Mund das Wasser läuft mir zusammen und
hör nur, wie mein Magen mault.
Buon appetito!, wünscht der Bursche auf italienisch
und deutet auf die nächste Trattoria.
Muh, muh machen die Kühe, astrein auf bairisch.
Wer hatte es ihnen wohl beigebracht?

Samstag, 5. November 2011

Am Nordpol



















Du brauchst endlich einen Neuen, sagte Lisa zu Sedna am Telefon. Dein Alter ist ja so was von schäbig.
Was geht’s dich an?, wollte Sedna wissen. Ich bin an ihn gewöhnt.
Sedna und Lisa waren Schwestern und das schon seit mehr als 50 Jahren.
Dass’d dich nicht genierst, bohrte Lisa weiter.
Sedna legte auf. Blödes Weib!
Eine Woche später trafen sie sich zufällig in der Stadt. Ja, da schau her, rief Lisa, ein neuer. Gut schaut er aus.
Sedna gab zu, dass er zärtlich war, warm und kuschelig.
Mit dem kannst direkt zum Nordpol fahren, sagte Lisa.
Kommst mit?, fragte Sedna.
So kam es, dass die beiden alten Schwestern eine Reise in den hohen Norden unternahmen und Eisbären, Robben und Eskimos zu Gesicht bekamen.
Und alle, alle fanden den Neuen unglaublich schön. Grün mit weißen Punkten, Sednas neuer Anorak.



Dienstag, 1. November 2011

Der Kapitän



August Maier aus Seebruck hatte einen Traum:
Er ist Kapitän zur See, besoldet nach B 3,
und alle müssen "Herr Kap'tän" zu ihm sagen.
Geht's noch?
Aber sie tun es: Herr Kap'tän, woher weht der Wind und
wo geht's nach Übersee zu den Herren und den Frauen-
Inseln down under?
Luft die Hälse, reckt die Daumen, Boye auf 11 Uhr.
Höchste Zeit für d'Weißwürst!
Klar Deck! Rein Schiff! Tischtücher raus und
alle Mann an Deck! - Und die Damen?
Klar zum Charmieren: Wulle wu kuschee avec moi?
Mä no, Missjöh Ogüst Majeer, mä no.
Wirklich net, lieber no a Weißbier, Herr Kap'tän.
Ist er net nett, der Maier Gustl von der Chiemsee-
Dampfschifffahrt!

Das Bild zeigt eine der 24 Geschenkeschachteln 20 x 20 x 10 cm, in die ich die Figuren wie in ein Bühnenbild mit Hinter- und Seitengründen reingestellt hab. Dazu schreibe ich jeweils einen passenden Text und das alles wird als Adventskalender ins Schaufenster einer Buchhandlung gestellt. Es fehlen noch ein paar Schachteln und viele Texte, da hab ich noch einiges vor mir. Pö a pö will ich es auch hier veröffentlichen.