Samstag, 13. August 2011

Dem Teufel die Hölle putzen


Pluto hockt auf meinem Steinbock, dem Capricorn mit dem geringelten Schlangenfisch-Schwanz, und zwar auf 1 Grad, ausgerechnet meinem AC, zefix!
„Steig ab!“, sagt das Capricorn zu ihm. „Du bist da.“ Die Luft ist dünn.
„Ha, von wegen Capricorn“, höhnt Pluto, der Teufel. „Du meinst wohl, du alte Ziege bist ein schneeweißes junges Einhorn.“
„Ach was“, schnaubt der Ziegenfisch mit schrägen gelben Augen. „Rutsch mir doch den Buckel runter!“


Das tut der Teufel, auf dem ausgerollten dicken Fischschwanz, hui, hinunter, direkt in seine dreckige Hölle. „Gehört mal wieder durchgeputzt“, brummt er. Aber wer soll das tun?
„Ich nicht“, sagt Hekate, „ich bin nicht deine Putze“. Sie sonnt sich in ihrer Nische beim Eingang.
„Ich auch nicht“, jault Zerberus, der Höllenhund. Dass er es selber tun könnte, kommt dem Teufel gar nicht in den Sinn. Er setzt eine Annonce in die Zeitung.
Soll ich mich melden? Ich? Wer bin ich denn? Eine Person(a), na gut. Alt? Hm. Allein? Schon. Schlimm? Nicht immer, ich mag es zuzeiten.

„Hallo, Herr Hades!“, sag ich am Telefon. Oder ich geh gleich hin, es ist ja nicht weit in die Höll. Nur einen Schritt nach innen und ins schwarze Loch geschaut. Der Sparifankerl schießt heraus wie ein Schachterlteufel.
„Hab ich dich erschreckt?“, frag ich.
„Ich mag’s nicht, wenn eine mit mir spielt“, sagt er. „Ich will ernst genommen werden.“
„Ich auch, ich auch“, sag ich. „Wo ist das Putzzeug, wo sind Eimer, Schrubber und Lumpen?“
„Im Besenschrank“, sagt Hekate und kichert. Ich freu mich, dass sie da ist und lächel sie an.
So viel Staub, Schuppen, Silberfischchen und rote Feuerwanzen. Der Dreck lebt. Mich graust, ich atme flach. Maden, Schnecken, Würmer, Schleim, Schmerz und Tränen. Alles kriecht unterm Teppich raus.
Meine toten Lover liegen haufenweise in einer dunklen Ecke. Wie sie mir imponiert haben, als ich jung war. Sie waren diejenigen, die wussten, wie‘s geht, das Leben, weil sie Männer waren, oh ja. Da ist die breite Brust von W. zum Anlehnen, die große Gestalt von K., um sich unter seiner Achsel zu bergen. All die Augen, um gesehen zu werden, die Lippen, die Hände, um berührt zu sein, fest gehalten, liebend umschlossen. Da sind die Beine, so stark, die Rücken, so breit und die Muskeln, all die Kraft. Adé, ich geb euch den Abschied, sag ich, valé, lebt wohl!

Jetzt raschelt und knistert es. Alles wird mürb, alt, trocknet, fällt ab, liegt kreuz und quer. Hekate bringt einen Schubkarren und hilft mir, die Teile aufzuladen, die Arme von A., die Beine von Th., die geschrumpften Glieder von H. und ein Zahn von J., dem Sucker. Alles bröselt, bricht und staubt. Wohin damit? Rauskarren und wegschmeißen? Nein, beerdigen, begraben, betrauern. Noch kleben Reste am Boden, uneingestandeneSehnsüchte. Ist das Teufelsdreck? Asfoedita, heißt es so? Es ist Pech, zieht zähle Fäden wie schwarzes Pattex.
„Nimm die Spachtel“, rät Hekate, „und den Nitrolackverdünner. Damit löst es sich. Erlöse dich, lass sie los, die Burschen, schau, wie sie sich verflüchtigen.“ Der Teufel grinst. Hekate setzt Kaffeewasser auf.
Ist noch irgendwas zum Stöbern da? Das Getier aufstöbern. Noch irgendwo ein Bock? Ein mächtiger Mann, einer der mir imponiert. Das sind die Gefährlichen, die Teufel, Herr Hades himself. Wie ein Löwe will er schlingen, versengen, verbrennen. Da nehme ich den Putzeimer und schütte dem Gewaltigen die Drecksbrüh vor den Latz. He, wie er da brüllt, sich schüttelt vor Empörung wie ein nasser Hund. Er zieht den goldenen Schweif ein, das Mannsbild, das eingebildete. Ein Bild, jawohl, aber nicht nur.
 Hekate nimmt mich an der Hand und führt mich nach draußen. Auf der Wiese im grünem Gras steht ein großes Glücksrad. Der blaue Himmel leuchtet durch die Speichen. „Neues Spiel, neues Glück“, ruft Hekate, springt aufs Rad und schwebt nach oben. Dort verwandelt sie sich in Fortuna, die junge Schöne. Auf ein Neues! Zerberus bellt und Pluto lacht. Ich hab geputzt. Die Höll ist sauber – na, so la-la und bis auf weiteres.

Am 12.04.08 ging Pluto in den Steinbock. Ich habe damals obige Geschichte geschrieben.
Das Bild zeigt ein Kachelofen-Detail aus der Landshuter Keramik-Ausstellung.


1 Kommentar:

  1. hej
    gestern meine seelenhölle geputzt
    hat ein wenig nachtschlaf gekostet
    aber heute ist es gut
    feine geschichte :)
    sonntagsgrüße
    birgit

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